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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2010-11-26
| [Acest text ar trebui citit în deutsch]
Hatte der verstorbene Aristide Buhoiu nicht eine Sendung beim Rumänischen Fernsehen (damals unfrei), in der er wöchentlich reiste? Eine andere, etwas weltläufigere, hatte Ioan Grigorescu. Die zwei reisten für uns alle anderen, registrierten für uns die Schönheiten der Welt und kassierten dafür auch noch Geld. Natürlich wurden die Reisekosten vom Staatsbudget getragen, also auch von uns. Ich will nicht sagen, dass diese Sendungen nicht schön waren, aber sie waren zu offensichtlich und wir sehnten uns immer mehr nach dem, was wir auf dem Bildschirm sahen, und es gelüstete uns immer mehr danach, doch mit bescheidenen Hoffnungen, sie jemals real zu sehen. Auch das kann von Jugendlichen nicht geglaubt werden, die sich an die Hosentasche greifen und schon findest du sie in Palma de Mallorca oder Las Palmas und neuerlich in Palme d’Or und anderen Palmen, die die zwei für uns unerreichbar in den Himmel wachsen ließen. Wir beneideten auch die Kameraleute, die Techniker in ihrer Begleitung, bedauernd, dass wir nicht Elektroniker lernten oder wenigstens Fahrer der Aufnahmewagen des Rumänischen Fernsehens, sondern einige bedauernswerte Schriftstellerleins waren, dazu auserwählt, uns um unseren eigene nationalen Schwanz zu drehen, bei Kreisfestivals, beim „Monat des Buches auf dem Dorf“ – und selbst das war noch eine Gunst. Alles hing von den politischen Chefs ab, ja noch mehr von den Diensten, die du ihnen erwiesest. Was die Securitate anbelangte, die nahm keine Geschenke, sondern ... Seelen, wie Mephisto. So dass es klar ist und keiner Beweise bedarf: alle, aber absolut alle, die im Ausland gearbeitet haben, vom Universitätsprofessor zum Seemann oder Priester, aber auch viele von denen, die nur ein wenig umherreisten, wurden verpflichtet, den Pakt zu unterzeichnen - wie Faust. Das galt sogar für einige der „Geflüchteten“ oder „Gebliebenen“, unabhängig davon, ob ihr Abenteuer „mit Duldung der Polizei“ über die Bühne ging oder ob der lange Arm der „Höllenferse“ sie erreichte, wo immer sie sich auch aufhielten.
Aber siehe, so kam auch ich in die Situation, zu sehen und spüren, was es heißt, die Grenze zu passieren. „Bewaffnet“ mit allem in der vorangegangenen Folge Geschilderten fuhr ich im Zug am 2. August 1974 über die Grenze zur Ungarischen Volksrepublik, das „Nachbars- und Freundesland“, wie man uns im „politischen Unterricht“ in Cluj beibrachte, obwohl nur Gott wusste, wie es um diese Herzensangelegenheit, besonders im 1940 geraubten Herzen Siebenbürgens, stand. Es war etwa um sieben in der Früh. Nachdem der Zöllner meine Papiere kontrolliert hatte, - wir waren schon hinter Huedin und ich hatte ihn ausgetrickst: er hat nicht bemerkt, dass ich im Strumpf die fabulöse, vom Onkel bekommene Summe von 25 Schweizer Franken versteckt hatte wie auch zwei Valutawechselscheine im Wert von je 250 Lei, die von Adrian Marino stammten, der mir auch eine Spanieninstruktion erteilte, hatte er das Land doch eben besucht und darüber das Buch „Olé, Spania!“ geschrieben, das ich auch im Reisegepäck mitführte -, fuhren wir durch Oradea und nach einem unerklärlich langen Aufenthalt in Episcopia Bihorului, wurden die zwei Waggons, in denen ich der einzige verbliebene Fahrgast war, an einen ungarischen Zug angekoppelt. Wie auch immer, ich versuchte, das Gefühl meiner ersten Grenzüberschreitung bewusst zu erleben: nichts, keine Sensation, es war nur ein par Meter breiter Ackerstreifen, der eigentlich nichts aussagte. Und ich blickte auf die Insekten, Ameisen und die Vögel des Himmels, die den Grenzübertritt ohne jedwede Formalität vollzogen, und platzte aufs Neue vor Neid. Lieber hätte Mutter mich zur Katze oder Schwalbe gemacht. Bei den Ungarn die gleiche Atmosphäre der „Freundschaft“, Kontrolle bis aufs Blut, Misstrauen etc. Und siehe da, ich bin in Budapest, die erste ausländische Stadt, die ich in meinem „jungen“ Alter von 30 Jahren betrat. Und dieser Schritt wäre „sine diae” aufgeschoben worden, ohne den politischen Ehrgeiz von Frau Raluca Ripan. Ich hatte keine Landkarten für diesen sehr langen Weg, so dass ich mich auf meinen Instinkt und meine Fremdsprachenkenntnisse verließ. Ein wenig kann ich auch Ungarisch, ausreichend um nicht zu verhungern oder nach dem richtigen Weg zu fragen. Ohne schweres Gepäck, nahm ich die Tramway zwischen den zwei großen Bahnhöfen Nyugati und Keleti, verstaute dann meine Sachen beim „Handgepäck“ und betrat die Bahnhofspassage, den ersten Atemzug mit einigermaßen freier, immerhin fremder, Luft machend. „Zumindest das“, sagte ich mir, denn eigentlich warst du nicht im Ausland, solange du dich innerhalb der Grenzen des „sozialistischen Lagers“ aufhieltest – so nannten es sogar die Ideologen, ohne sich der doppelten Bedeutung des Wortes „Lager“ bewusst zu sein, was erst später durch den Verzicht auf dieses Syntagma korrigiert wurde. Auch die ungarischen Grenzer konnten dich noch „nach Hause“ schicken, sollte ein Telefonanruf ihrer rumänischen Dienstkollegen bei ihnen eingehen. Budapest, sind wir ehrlich, ist eine schöne Stadt, nach mir schöner als Wien, weil sie eine zentrale Donau hat und architektonisch vielfältiger ist. Genau nach der Donau fragte ich und jemand zeigte mir mit der Hand die Richtung über den großen Boulevard, der vor dem Keleti-Bahnhof beginnt. Und ich marschierte tapfer auf Schusters Rappen los, ohne die Entfernung zu berücksichtigen. Schnell entschloss ich mich, die Nacht über in der Hauptstadt zu bleiben, und fand dann auch an der Donau ein so genanntes Ibusz, also ein Office zur Vermittlung privater Unterkünfte, wo ich 90 Forint zahlte und man mir die Adresse gab, ziemlich zentral, und passgenau in der Bucureºti-Straße. Beruhigt, dass ich eine Schlafstätte hatte, fragte ich nach der Nachtsperrzeit dieser Unterkunft und startete zu einem Bummel über die herrlichen Budapester Brücken. Ich habe schon bald die berühmte Vaczi utca, die Luxusfußgängerzone Ungarns, entdeckt und mir dort sogar ein Bier genehmigt. Zu jener Zeit war ein rumänischer Leu zwei Forint wert und ich hatte ausreichend Geld, weil ich an der Grenze die drei Valutawechselscheine, einen eigenen und die zwei von Adrian Marino, in Forint und österreichische Schilling umgetauscht hatte, also ziemlich reich war. Es sollte sich herausstellen, dass der Leu auch im Vergleich zum Schilling nicht gerade schwach war. Ich schlenderte so durch die schöne Stadt an der Donau, bis sich der Abend niederließ und die Lichter auf der berühmten Lánchíd, also Kettenbrücke, angingen. Ungefähr um zehn Uhr abends habe ich eine Straßenbahn genommen und bin an der von Ibusz vermittelten Adresse angekommen, ein zurückgezogener Wohnblock mit lediglich drei Stockwerken. Ich bin in die erste Etage hinaufgestiegen und habe an dem auf der Quittung vermerkten Appartement geläutet. Es packte mich die Panik, da mir niemand nach mehrmaligem Betätigen der Glocke öffnete. Nach einiger Zeit, echt besorgt, begab ich mich vor das Haus und begann den Namen des Genossen Hausherrn zu rufen. Endlich, auf meine Schreie, die das ganze Viertel rebellisch machten, öffnete sich ein Fenster und es erschien ein Frauenkopf so um die 30 Jahre, zersauste, der mich fragte, was ich wolle. Ich sagte, wie ich es eben auf Ungarisch konnte, dass ich gezahlt hätte, um bei ihr zu schlafen – obwohl es mir eher „mit ihr“ zu sagen kam, denn die Frau sah ziemlich gut aus, wie alle Ungarinnen. Sie machte mir Zeichen, hinaufzusteigen. In der Tür erschien der gleiche struppige Kopf, mit geflochtenen Zöpfen, mit zwei grünen Augen und einem Körper, wie ich fand, anziehend, in Eile in einen Sommernachtsmantel gehüllt. Darunter schien nichts mehr zu sein. Ich zeigte ihr die Quittung und sie verlangte mir den Pass. Sie nahm ihn und begann zu lesen: „Te magyar vagy? (Bist du Ungar?)“ – „Nem, roman (Nein, Rumäne)!“, antwortete ich. „Erdely (Siebenbürger)?“ – „Igen (Ja)!“ – „Kolosvari (aus Cluj)?“ – und ich war immer zuversichtlicher, dass sich ein vielversprechender Dialog anbahnte, so dass meine Überraschung dann nicht klein war, als sie, statt mich ins Bett zu bitten, mir die Tür zeigte und mich so kategorisch anschrie „Hinaus“, dass ich sie verstand, obwohl dieses Wort weder damals noch heute Teil meines rumänisch-ungarischen Wortschatzes war und ist. Ich begann zu protestieren, mit mehr und mehr gehobener Stimme, als aus einem benachbarten Zimmer ein Hüne von einem Ungar, rot und mit dem spezifischen Gesichtsausdruck eines erfahrenen Metzgers, fähig dich im Handumdrehen in eine Csabay-Wurst zu verwandeln – gut übrigens, erschien. Das Fräulein fasste Mut und auf meine Forderung, mir mein Geld zurück zu geben, riss sie die Rechnung in Stücke und warf sie zu Boden, mir zu verstehen gebend, dass ich auf keinen Fall einen Forint sehen werde. Ich hatte keinen Ausweg, nahm meinen Pass – Glück, dass sie den nicht auch zerrissen hatte – vom Tisch und meine Tüte mit meinen wenigen Transitsachen, also ein Unterhemd, Zahnbürstchen und –creme, ja ungefähr soviel, und empfahl mich englisch nach dem Spruch „Flucht ist beschämend, aber gesund“, zufrieden, das Fleischerbeil dieses Janos mit dem roten Schnurrbart nicht mehr sehen zu müssen. Und so kam es, dass ich statt wie ein frecher und gefühlloser Tourist zu schlafen, die Freude hatte, das Nachtleben Budapests kennenzulernen, was ich eigentlich gar nicht bereute. Da ich die Topografie des Ortes nahe der Donau und dem Hotel Gellert schon beherrschte, marschierte ich tapfer bis zum Ufer und meditierte nostalgisch auf einigen der schön beleuchteten Brücken bis um ca. 1:00 Uhr in der Nacht über die traditionelle rumänisch-ungarische Freundschaft, von der ich viel gelernt hatte, allerdings theoretisch, im politischen Unterricht, denn die Praxis „brachte mich um“. Nach meiner Rückkehr schickte ich eine Beschwerde an O.N.T. (Oficiul Naþional de Turism, dem ungarischen Ibusz entsprechend)*, bekam aber nie eine Antwort. Ich schwankte danach zwischen dem fremdenfeindlichen Aspekt dieses Vorfalls – durchaus möglich, denn ich störte als Rumäne aus Cluj, das viele Ungarn als zutiefst ungarisch empfanden -, und dem erotischen Aspekt, der sich von dem Durcheinander und der Struppigkeit der Frau ableiten ließ, aber auch von dem ungarischen Koloss. Ich dachte mir, dass ich sie wahrscheinlich in Augenblicken sehr menschlichen Genusses gestört habe, aber auch, dass es keinen Vergleich zwischen mir und den vielen Zentimetern des Hünen gab. Sehr bald, so um zwei Uhr nachts, sollte ich auch mitbekommen, wie es um die traditionelle italienisch-ungarische Freundschaft steht. Plötzlich hielt neben mir, dem Fußgänger, ein kleiner Studenten-Fiat mit drei jungen Italienern, die mich italienisch fragten, eine so gut wie unbekannte Sprache in Ungarn, wo sich eine gewisse Nachtbar befindet. Der Witz war, dass ich es wusste, da ich zweimal an ihr vorbeigegangen war, woraufhin die Studenten, denn das waren sie, mich als vierten in ihr Fiatlein aufnahmen, konnte ich doch auch ein wenig den Übersetzer für sie spielen. Es war interessant, nur waren sie ziemlich arm, was auch der Majordomus der Luxusbar, die sie, nach den Preisen fragend, betreten wollten, bemerkte. Ich habe ihnen übersetzt, dass das Individuum, auch ein Berg von einem Mensch, soeben ironisch feststellte, sie verfügten nicht über die nötige Summe, um eingelassen zu werden. Die Italiener haben mit einer jugendlichen Gelassenheit diese Beleidigung zur Kenntnis genommen und wir sind alle vier in den volkstümlichen Teil der Hauptstadt gefahren, in die unterirdische Passage von Keleti palyautvar. (Ich entschuldige mich für mein nachprüfungsbedürftiges, aber gut gemeintes Ungarisch, denn mit dem Eintritt in Europa, werden die Ungarn zu unseren Freunden, ob wir es wollen oder Gheorghe Funar* es nicht will.) In der Passage buntes Treiben, Fastfood und billige Getränke, Gedränge sogar um 2 – 3 Uhr gegen Morgen. Ich habe die Idee dorthin zu fahren akzeptiert, weil ich um 8 Uhr einen Zug nach Wien hatte. Aber die Italiener waren auf Streiche aus und ignorierten in ihrer Situation als Kapitalisten die proletarische Moral der ungarischen Frau. Sie versuchten, sich an ein paar Ungarinnen zu hängen, überzeugt, dass auch die sich für zwei paar Strümpfe hingeben werden, wie es oft mit Rumäninnen passierte. Irgendwann entdeckten sie ein herrliches Exemplar, hinter dem sie sich einreihten und italienisch zu kommentieren begannen („che puta, che bambola, ragazzina” etc.), überzeugt, dass die appetitliche Jungfer kein Italienisch verstand. Nur drehte sich das Fräulein plötzlich wie eine Löwin um und ließ eine Flut von Invektiven in einem fließenden Neapolitanisch los, die mit „mascalzone” begann, mit „porco di Madona” endete und viele andere liebliche Apostrophierungen beinhaltete, was mir zeigte, dass die Mailänder Junggesellen soeben einen Korb bekamen, war die Frau doch eine echte Italienerin. Ich habe in meinem Leben keine eingeschüchterteren Menschen gesehen. Die Burschen formierten ihre Indianerreihe wieder, aber hinter meinem Rücken, mich als Schutzschild vor der bedrohlich über ihren Köpfen zu kreisen beginnende Handtasche benutzend. .Schließlich verzeihte ihnen die Italienerin und entfernte sich amüsiert. Ich werde später gerade in Italien mitbekommen, dass dort ein solcher Vorfall mit einer Polizeiintervention enden kann, im Falle dass die „ragazza“ nicht eine Nutte ist, sondern eine ehrbare Frau. Um acht Uhr trennte ich mich von den Italienern, tauschte Adressen aus, die ich nie benutzte, und stieg in einen Zug, in die populäre und billige zweite Klasse, bei welcher Gelegenheit ich auch auf der eigenen Haut die traditionelle serbisch-rumänische Freundschaft auf eine neue Art und Weise zu spüren bekam. Das Appartement für acht Leute (wir waren noch im Osten, denn im Westen waren es nur noch sechs Plätze auch in dieser Klasse) war außer meinem Platz voll besetzt von etwa zwölf Serben, die in den Westen zur Arbeit fuhren (Tito ließ das zu und tat gut daran), eine große und lautstarke Familie, aber vor allem ungemein dreckig, als ob diese Leute direkt von der nationalen und landwirtschaftlichen Erdscholle in den Zug gestiegen wären. Es war auch noch warm und der Schweiß floss in Strömen, ohne vorläufige Spuren von Fa und Rexon, die sie erst später im Aldi gekauft haben werden. Umsonst wedelte ich mit dem Handtuch, mit dem ich mich auf der exekrabeln Toilette des Waggons abgekühlt hatte. Ohne Erfolg. Ich resignierte schnell und erinnerte mich, dass mir jemand erzählt hatte, man gewöhne sich an jede Abartigkeit innerhalb von höchstens fünfzehn Minuten, was auch geschah, besonders weil ich nach zwei verlorenen Nächten sehr müde war und wie ein geschaukeltes Baby einschlief, ich glaube, sogar stimuliert von der Kombination Traum – ungewaschene Strümpfe. Tatsache ist, dass ich erst im Wiener Westbahnhof aufwachte wo ich wahrhaftig, nachdem die Serben mit ihrem Gepäck und den Kindern über mich hinweggestiegen waren, aus dem überfüllten Zug stieg und endlich reine und freier Luft einatmete. Es war auch an der Zeit. Ich mache hier keinen Tourismus, sondern Politik, sodass ich die auf diesem dreiwöchigen Trip besuchten Stätten überspringe und nur von den Erlebnissen mit politischem oder fast politischem Beigeschmack berichten werde. Auf jeden Fall war ich in Wien noch ein reicher Mann, der um die 400 Schilling hatte, wo ein Bier 12 Schilling kostete. Ich steuerte wie in Budapest wieder auf die Donau zu, die aber viel weiter war und die ich dann auch prompt mit einem ihrer Kanäle verwechselt habe. Ich schlenderte über die Mariahilferstraße, Bekanntschaft machend mit dem morschen Kapitalismus, der einem „die Kneipe in den Weg stellte“ wie in dem Geselligkeitslied des alten Bukarest, erstaunt von der Eleganz und der prompten Bedienung – kein einziges warmes Bier, von dem ich in Budapest noch fand -, was mich zwölf Mal zum Einkehren bewog, bis ich auf einer Bank neben einer schönen Kathedrale mit zwei gotischen Türmen einschlief, die mir in jenen Augenblicken sehr lieb war, glaubte ich doch, es wäre der Stephansdom, was es nicht war, denn der Monumentalbau in der Kärntnerstraße hat nur einen Turm. Was ist an dem Politik? .Einfach: die Tatsache, dass kein Polizist erschien und mir den Personalausweis verlangte und mich aus dem wohlverdienten Schlaf unter der brennenden Sonne um 14 Uhr weckte. Wenige politische Momente auf meiner Weiterreise nach Spanien. Ich beziehe mich auf jene Vorfälle, die irritieren, im besten Fall mit leicht schwarzem Humor, nicht auf politisches Lob, keine Beweihräucherung. Eine Begebenheit: In Genf spazierte ich einen Tag lang durch das Städtchen und nichts hat mich geärgert, alles lief wie geschmiert, das Bier war kalt – ein guter vergleich zur Schwierigkeit, im sozialistischen Rumänien ein Bier vom Eis zu erhaschen -, die Busse kamen pünktlich, niemand stieß oder pöbelte dich an, sodass ich, aufs höchste irritiert, mir neben Calvins Kathedrale die Hände in die Hüften stemmte und ziemlich laut rief: „Verdammt noch mal! Läuft hier wirklich nichts schief?“ Mehr als sicher war kein Rumäne in der Nähe, denn niemand beachtete mich. Das war augenscheinlich eine politische Haltung gegenüber dem eidgenössischen Kapitalismus, der schon so vermodert war, dass er gar nicht mehr stank, ja mitnichten, mitnichten, mitnichten, im Gegenteil. Die zweite trug sich bei der Fahrt über die französische Grenze zu. Der Zug verließ den Genfer Bahnhof und ich ging zum Rauchen auf den Gang, wo ich mit einem Franzosen aus Lyon ein banales Gespräch begann. Nach ein paar guten Minuten fragte ich meinen Gesprächspartner besorgt, wann die Grenze kommt. Worauf er verständnisvoll lächelte und mir versicherte, dass wir schon längst in Frankreich wären, und zwar seit dem Verlassen des Genfer Bahnhofs.Eine unangenehme Geschichte: Dass wirklich niemand kommen sollte, uns nach unserem Wohlbefinden zu fragen, in unserem Gepäck herumzuwühlen und andere derartige Köstlichkeiten, wie ich sie von unseren kommunistischen Grenzen gewohnt war. Das dritte Erlebnis sollte ich am französisch-spanischen Grenzübergang Port-bou – Cerberes am folgenden Morgen haben. Spanien hatte noch wie die Sowjetunion breitere Eisenbahnschienen als die anderen europäischen Länder, sodass wir im ersten spanischen Bahnhof alle den Zug verließen, einige hundert Menschen, viele spanische Arbeitnehmer, die von der Arbeit in der Schweiz nach Hause kamen. (So war das damals, heute fahren wir Rumänen nach Spanien zu den Erdbeeren.) Eine unendliche Reihe von Reisenden mit Gepäckstücken schritt über einen Perron, durchquerte eine Art Baracke, in der die spanische Grenzpolizei untergebracht war, alle mit den Pässen in Sichthöhe, und stieg in den spanischen Zug. Im Rahmen der traditionellen rumänisch-spanischen Freundschaft – ich rede gerade an einem Tag so, an dem während des Besuchs eines türkischen Präsidenten in Bukarerst der Verblichene von Târgovişte* die Losung „Es lebe die traditionelle rumänisch-türkische Freundschaft“ posaunte, wohl vergessend, dass wir uns erst vor hundert Jahren mit den Türken wie die Blinden schlugen,– ergab es sich, dass ich der einzige Tourist war, der nach der Farbe seines Passes als möglicher kommunistischer Feind erkannt, angehalten und einem kurzen, aber höflichen und viel kürzeren Verhör als an der Grenze zu Ungarn unterzogen wurde. Und im Rahmen der traditionellen englisch-spanischen Freundschaft (mir fiel nur die „unbesiegbare Armada“ und der blinde Admiral Nelson ein) hielt man auch eine Engländerin an. Ich befand mich unmittelbar hinter ihr, war sie doch ein sehr gelungenes Weibsbild und ich natürlich auf ihren Fersen, und sah deutlich, wie die arme, schöne Kreatur einem diskriminierenden Verfahren unterzogen wurde, und zwar war sie die einzige Person, die ihren großen Koffer auf eine niedrige, sehr niedrige Bank legen und in den vielen Kleidern und der intimen Wäsche herumwühlen musste. Demütigend, sagte ich mir, bis ich merkte, wie die Zöllner versteckt lachten, während sie auf die herrlichen Brüste der weit vorgebeugten Frau, die versuchte, an ihr tief liegendes Reisegepäck zu kommen, starrten. Keine besonderen Vorkommnisse im franchistischen Spanien, außer dass mir seit Valencia eine Figur auffiel, die anscheinend den gleichen Weg wie ich hatte und versuchte, mir je näher zu kommen, sprach ich doch ziemlich gut Spanisch und führte seit meiner Ankunft angenehme Gespräche mit verschiedenen Menschen, die meinen Weg kreuzten. Der Mann fiel mir auch auf, da er der einzige war, der einen beige Anzug und Krawatte trug, während alle anderen Reisenden so leger wie möglich daherkamen, herrschte doch in Spanien eine Hitzewelle von 45 Grad und eine schreckliche Dürre. Großartiger Zufall: Ich steige im Bahnhof von Valencia aus, entblößter Ellbogen mir nach, ich steige im Bahnhof Valencia ein, gebratene Gedärme hinter mir her, und immer so bis nach Malaga und dann nach Madrid, der Vagabund in meinem Schlepptau, als wären wir in Caragiales „Stürmischer Nacht“. Ich hielt mich zurück, ihn anzusprechen und ihn eventuell zu einem kalten Bier einzuladen, bis in den Bahnhof von Monaco, wobei ich im Milano-Zug fast verdurstet wäre. Dann sah ich ihn unter dem Fenster meines Waggons in der gleichen beige Uniform und passender Krawatte, in einem zu perfekten Französisch vom Zugführer einen Platz im Schlafwaggon verlangend. In Folge dessen sagte ich wie zu mir selbst in meinem Rumänisch: „Ist es nicht so, mein Herr, dass du aus Rumänien bist?“ Überrascht erhob der Mann den Blick zu mir und antwortete: „Ja doch, aber von wo wissen Sie das?“ Ich habe nichts mehr erwidert, denn ich hätte ihm sagen müssen, dass ich auch seinen Arbeitsplatz erraten habe und seine ermüdende Mission, wo ich ihn doch zum Beispiel in Madrid während eines Spaziergangs quer durch die Hauptstadt etwa 15 Stunden lang auf einer Strecke von 60 km hinter mir hielt. Vom Ende meines Schattens werde ich euch in Cluj erzählen. [aus dem Rumänischen von Anton Potche] Anmerkungen*: - O.N.T. (Oficiul Național de Turism) = Nationales Turismusamt - Gheorghe Funar (*1949) = 1992 – 2004 Bürgermeister von Cluj, rumänisch-nationale Gesinnung - Verblichene von Târgovişte = gemeint ist Nicolae Ceauşescu, der an Weihnachten 1989 in Târgovişte zusammen mit seiner Frau Elena erschossen wurde |
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